Tasche auf, Buzzword "Social Recruiting" rein und ab in die Hochschule Fresenius Köln, um dort Einblicke in das Zusammenspiel von modernen Recruiting-Prozessen und Social Media zu bieten. Da ich den Studierenden als Social-Media-Experte angekündigt war, wollte ich das Thema von allen Seiten beleuchten. Es musste also eine Antwort auf die Frage her, was sich hinter dem Modebegriff verbirgt. Also, Hefte raus und mitschreiben:
Grundlegend ist der Versuch gemeint, die Infrastrukturen sozialer Plattformen (Facebook, LinkedIn, Xing, Twitter, Instagram oder YouTube) zu nutzen, um neue Mitarbeiter anzusprechen.
Primäres Ziel: im Personalmarketing 4.0 die vorhandenen Reichweiten und Streukräfte bestehender Communitys zu nutzen, um neues Personal zu gewinnen.
In den sozialen Medien gibt es zwei Möglichkeiten, sich als Arbeitgebermarke zu platzieren:
1. Im Sinne der „Talent Acquisition“ suchen Interessenten des Unternehmens bewusst und zielgerichtet nach der Marke, ohne dass diese sich gezielt um Aufmerksamkeit bemüht.
2. Im Sinne des „Active Sourcing“ agiert das Unternehmen proaktiv, um neue Talente anzusprechen.
Der entscheidende Unterschied zwischen der altbekannten Stellenbörse und einem sozialen Netzwerk liegt in der Möglichkeit, den User via Social Media direkt ansprechen zu können (Möglichkeit 2). Der positive Effekt der direkten Ansprache ist nicht neu: Wir kennen ihn bereits von Onlineshops (Chatbots oder personalisierte Ansprachen). Nun kommt diese Methode auch im Kampf um gut ausgebildete Fachkräfte zum Einsatz.
Häufig wissen potenzielle Mitarbeiter gar nicht, dass eine offene Stelle nur darauf wartet, von ihnen besetzt zu werden. Es fehlt der entscheidende „Anstoß“, der aus einem unschlüssigen User den neuen Mitarbeiter macht. Häufig sind Arbeitgeber oder Stellenangebote eben schlichtweg nicht auf dem Radar. Erst durch Social-Recruiting-Aktivitäten können wir in den Wahrnehmungsbereich eindringen.
Anders als beim Onlineshopping kommen im Social-Recruiting in der Regel keine Chatbots zum Einsatz, die den sogenannten Nudge (Anstoß zur Entscheidung) fördern, sondern reale Personen. Die Ansprache der User geschieht über die Messenger oder Kommentarspalten in den jeweiligen Netzwerken.
„Goldene Regel ist dabei immer eine persönliche und individualisierte Ansprache. Auch die Verwendung von Emojis sollte nicht ausgeschlossen werden. Letztlich liegt es dann am Feingefühl des Recruiters, herauszufinden, welche Form der Kommunikation das Gegenüber wünscht.“
Platzierte Werbung im Newsfeed (Paid Ads) ist eine weitere Möglichkeit, Interaktionen zwischen User und Unternehmen zu unterstützten. Wie man jedoch die Aufmerksamkeit der Communitys auf sich lenkt, bleibt jedem kreativen Marketer überlassen. Die Kunst besteht darin, die Möglichkeiten der Netzwerke zu verstehen. Welche Kanäle hierbei bevorzugt werden und Erfolg im Social-Recruiting versprechen, zeigt die Studie „Social Recruiting und Active Sourcing“ der Universität Bamberg.
Realistisch bleiben!
Bei all den positiven Eigenschaften und Möglichkeiten muss man aber immer auch realistisch bleiben. Netzwerke wie Facebook, Instagram und YouTube können zwar im Recruiting funktionieren, werden jedoch primär aus privaten Gründen genutzt. Zudem gibt es ganz entscheidende Generationsunterschiede bei der Verwendung der einzelnen Plattformen, weshalb Klarheit über Zielgruppen und deren Kanäle herrschen sollte. Das Interesse des Users für sich zu wecken, ist dabei eine Challenge, die nur durch eine kreative Aufbereitung der Inhalte gemeistert werden kann. Das wiederum ist eine generelle Herausforderung jeder Content-Marketing-Kampagne.
Fazit: klares Konzept!
Auch im Social-Recruiting wirkt kein blinder Aktionismus. Wer keine Social-Media-Präsenz hat, muss diese erst einmal aufbauen und sich mit einem klaren Konzept positionieren – immerhin soll die Arbeitgebermarke nach außen präsentiert und von Mitbewerbern abgegrenzt werden.
Besonders kleine und mittelständische Unternehmen ohne große Personalabteilungen oder Budgets für Personalmarketing-Maßnahmen haben durch Social-Recruiting eine faire und realistische Chance im „War for Talents“.
Bildquelle: yoav hornung / Unsplash